Rechtssicher und fair: So erstellen Sie ein diskriminierungsfreies Arbeitszeugnis

Ein Arbeitszeugnis diskriminierungsfrei und rechtssicher zu erstellen ist Pflicht für jeden Arbeitgeber. Neben klaren gesetzlichen Vorgaben sind praktische Richtlinien zu beachten, um Benachteiligungen und mögliche rechtliche Konsequenzen zu vermeiden. Hier erhalten Sie die wichtigsten AGG-Regeln, Beispiele für zulässige und unzulässige Inhalte sowie einen Überblick über relevante Urteile und Sonderfälle.

Rechtssicheres Arbeitszeugnis – Waage der Gerechtigkeit


Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) beim Arbeitszeugnis

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) schützt Arbeitnehmer vor Diskriminierung aufgrund von:

  • ethnischer Herkunft
  • Geschlecht
  • Religion oder Weltanschauung
  • Behinderung
  • Alter
  • sexueller Identität

Da Arbeitszeugnisse den weiteren Berufsweg stark beeinflussen, findet das AGG beim Zeugnis eine zentrale Anwendung. Arbeitgeber müssen bei der Formulierung darauf achten, keine diskriminierenden Inhalte aufzunehmen.

Praxis-Tipp:
Persönliche Angaben wie Vorname oder Geburtsdatum zur Identifikation sind zulässig und stehen nicht im Widerspruch zum AGG.


Nicht erlaubt Was NICHT im Arbeitszeugnis stehen darf

Um ein faires und diskriminierungsfreies Arbeitszeugnis zu erstellen, dürfen folgende Inhalte grundsätzlich nicht im Zeugnis auftauchen:

  • Betriebsratstätigkeit (außer auf ausdrücklichen Wunsch des Mitarbeiters)
  • Privater Alkoholkonsum oder andere private Angewohnheiten
  • Erteilte Abmahnungen
  • Einkommen oder Gehaltsangaben
  • Ermittlungsverfahren oder Straftaten (Ausnahmen siehe unten)
  • Krankheiten, Elternzeit, Schwangerschaft
  • Details aus dem Privatleben (Sexualleben, Nebentätigkeiten)
  • Frühere Arbeitslosigkeit oder Vermittlung durch Agentur für Arbeit
  • Kündigungsgrund (nur auf Wunsch)
  • Vertragsinformationen wie Widerruf der Prokura

Zusätzlich verboten sind:

  • Geheime Zeichen, Codes oder Signale (z.B. Strich bei Unterschrift)
  • Formulierungen, die auf Auskunftsbereitschaft hinweisen
  • Widersprüchliche oder verschlüsselte Aussagen

Achtung bei krankheitsbedingten Fehlzeiten:
Diese dürfen grundsätzlich nicht erwähnt werden. Nur wenn die Fehlzeiten mehr als 50% der Anstellungszeit betragen, ist eine Angabe zulässig (siehe LAG Sachsen, 30.01.1996 - 5 Sa 996/95).


Ausnahmen und Sonderfälle – Wann sind Angaben erlaubt oder sogar Pflicht?

Trotz strenger Regeln gibt es Einzelfälle, in denen bestimmte Informationen ins Arbeitszeugnis gehören oder ausdrücklich erwähnt werden müssen:

  • Alkoholkonsum mit Einfluss auf die Arbeit:
    Z.B. bei LKW-Fahrern – zum Schutz Dritter kann Alkoholmissbrauch erwähnt werden.
  • Laufende Ermittlungsverfahren:
    Nur bei erheblichem Einfluss auf die Tätigkeit.
  • Straftaten:
    Rechtskräftige Verurteilungen für dienstbezogene Straftaten mit Bezug zum Job dürfen genannt werden.
  • Elternzeit & Krankheitszeiten über 50%:
    Wenn Ausfallzeiten mehr als die Hälfte der Anstellungszeit ausmachen, kann eine Erwähnung erfolgen.
  • Ausschließliche Betriebsratstätigkeit:
    Nur, wenn die Tätigkeit ausschließlich als Betriebsrat ausgeübt wurde.
  • Private Zukunftswünsche:
    Als Ausdruck von Wertschätzung möglich.
  • Fristlose Kündigung durch auffälliges Austrittsdatum:
    Eine fristlose Kündigung darf nicht direkt genannt, aber indirekt durch ein ungewöhnliches Austrittsdatum sichtbar werden.

Wichtig:
Die rechtliche Bewertung von Ausnahmen erfolgt immer im Einzelfall – holen Sie im Zweifel juristischen Rat ein.


Pflichtangaben Was MUSS im Arbeitszeugnis stehen?

Auch für Pflichtangaben gibt es klare Richtlinien. Grundsätzlich muss ein Arbeitszeugnis objektiv, wohlwollend und wahrheitsgemäß sein.

Besondere Pflichtangaben:

  • Eigenschaften mit besonderer Bedeutung für die Tätigkeit:
    Bei Berufen mit besonderer Vertrauensstellung (z.B. Kassierer, Verkäufer, Außendienst, Filialleiter, Hotelpersonal, Hausgehilfen) muss Ehrlichkeit explizit erwähnt werden – sowohl als Lob, als auch bei Vorfällen von Unehrlichkeit.
  • Straftaten mit direktem Bezug zur Tätigkeit:
    Straftaten wie pädophile Neigungen oder Besitz von kinderpornografischem Material müssen genannt werden, sofern sie die Tätigkeit direkt betreffen (z.B. Betreuung von Kindern).

Fehlende Erwähnung solcher relevanter Eigenschaften kann als Warnsignal interpretiert werden und ist daher zu vermeiden.


Zusammenfassung & Checkliste für ein diskriminierungsfreies Arbeitszeugnis

Beachten Sie folgende Punkte, um ein rechtssicheres Arbeitszeugnis zu erstellen:

  • Halten Sie sich an die Vorgaben des AGG.
  • Verzichten Sie auf diskriminierende, irrelevante oder private Angaben.
  • Verwenden Sie keine Codes, Geheimzeichen oder versteckte Formulierungen.
  • Prüfen Sie Sonderfälle sorgfältig und holen Sie bei Unsicherheiten rechtlichen Rat.
  • Nennen Sie Eigenschaften, die für den Beruf unverzichtbar sind, explizit.
  • Halten Sie sich an die Grundsätze von Wahrheit und Wohlwollen.

Weiterführende Urteile & Quellen

  1. BAG Urteil vom 12.08.2008, 9 AZR 632/07, BecksRS 2008 57445
  2. ArbG Herford Urteil vom 01.04.2009, 2 Ca 1502/08, ArbRB 2009, 190
  3. LAG Hamm Urteil vom 17.12.1998, 4 Sa 630/98, BB 2000, 1090
  4. LAG Düsseldorf Urteil vom 03.05.2005, 3 Sa 359/05, LAGE Nr. 2 zu §109 GewO
  5. LAG Chemnitz Urteil vom 30.01.1996, 5 Sa 996/95, NZA-RR 1997, 47
  6. BAG Urteil vom 10.05.2005, 9 AZR 261/04, NZA 2005, 1237
  7. LAG Frankfurt am Main Urteil vom 10.03.1977, 6 Sa 779/76, DB 1978, 167
  8. LAG Hamm Urteil vom 27.02.1997, 4 Sa 1691/96
  9. BAG Urteil vom 12.08.2008, 9AZR 632/07, BeckRS 2008 57445
  10. LAG Düsseldorf Urteil vom 07.01.2009, 7 Sa 1258/08, BeckRS 2009 5446 1

Tipp:
Nutzen Sie diese Checkliste, um Ihr nächstes Arbeitszeugnis rechtssicher und diskriminierungsfrei zu verfassen – so schützen Sie sich vor rechtlichen Risiken und unterstützen Ihre Mitarbeitenden auf ihrem beruflichen Weg!

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