Die Entwicklung der Zeugnissprache: Eine Reise durch die Geschichte deutscher Arbeitszeugnisse

Die Entstehung von Arbeitszeugnissen in Deutschland

Philip
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Die Entwicklung der Zeugnissprache: Eine Reise durch die Geschichte deutscher Arbeitszeugnisse

Um den Ursprung und die Besonderheiten der deutschen Arbeitszeugnisse zu ergründen, lohnt sich ein Blick in ihre historische Entwicklung und die Entstehung der speziellen Zeugnissprache.

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Um den Ursprung und die Besonderheiten der deutschen Arbeitszeugnisse zu ergründen, lohnt sich ein Blick in ihre historische Entwicklung und die Entstehung der speziellen Zeugnissprache.

Die Anfänge ab dem 16. Jahrhundert."Atteste für ordnungsgemäßes Ausscheiden"

Die Verwendung von Zeugnissen zur Beurteilung von Arbeitnehmern hat in Deutschland ihre Ursprünge im 16. Jahrhundert. Zu dieser Zeit handelte es sich um sogenannte „Atteste für ordnungsgemäßes Ausscheiden“, die Dienstherren für ihre Knechte ausstellten. Diese Atteste bestätigten, dass eine Trennung korrekt und mit Zustimmung des vorherigen Dienstherren erfolgt war. Es war damals nicht gestattet, jemanden im Handwerk oder Gesindewesen zu beschäftigen, ohne ein solches Attest vorweisen zu können. Gleichzeitig war der Dienstherr verpflichtet, ein derartiges Attest auszustellen.

"Das Dienstbotenbuch (Gesindebuch)"

Mitte des 19. Jahrhunderts wurde diese Regelung in Preußen formalisiert und im Gesinde-Dienstbuch verankert. Der Dienstherr war verpflichtet, ein umfassendes Zeugnis über die Führung und das Benehmen des Gesindes (Arbeitnehmers) in dieses Buch einzutragen. Dieses Buch, auch als Dienstbotenbuch bekannt, musste vor Dienstantritt der örtlichen Polizei vorgelegt werden. Um schlechte Zeugnisse zu umgehen, konnte man durch die Beantragung eines neuen Gesindebuches nachweisen, dass man sich in den letzten zwei Jahren durch Tugenden wie Fleiß, Treue, Gehorsam, sittliches Betragen und Ehrlichkeit ausgezeichnet hatte. Zu dieser Zeit beglaubigte die Polizei auch die korrekte Ausstellung des Gesindebuches.

Zeugnisaufbau.svg Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuches - 01.01.1900

Die erste deutschlandweite Regelung zum Arbeitszeugnis

In Deutschland trat am 01. Januar 1900 die erste deutschlandweite Regelung zum Thema Arbeitszeugnis in Kraft mit der Einführung des Bürgerlichen Gesetzbuches. Seit diesem Zeitpunkt haben alle Arbeitnehmer das Recht auf ein Arbeitszeugnis, das ihre Führung und Leistung beurteilt. Diese Beurteilung seitens des Arbeitgebers sollte das Leistungsvermögen des Mitarbeiters detailliert beschreiben und als Informationsquelle über Qualifikationen und Leistungen für Dritte, insbesondere zukünftige Arbeitgeber, dienen. Somit wurde mit der Einführung des BGBs der Schwerpunkt der Beurteilung in Richtung der Arbeitsleistung verlagert.

Der Wandel vom Schutz des Arbeitgebers zum Schutz des Arbeitnehmers Der Grundgedanke von Arbeitszeugnissen

Der ursprüngliche Gedanke hinter der Einführung der "Atteste für ordnungsgemäßes Ausscheiden", des Gesindedienstbuches und des Arbeitszeugnisses war es, den Arbeitgeber vor der Einstellung von Mitarbeitern zu schützen, die dem Unternehmen möglicherweise schaden könnten. In dieser Zeit spiegelten kurze und distanzierte Formulierungen oft ein hierarchisches Verhältnis wider, das bis heute als veraltet empfunden wird. Obwohl einige dieser sprachlichen Konventionen bis ins 21. Jahrhundert überdauert haben, existieren auch Beispiele aus dem 17. Jahrhundert, die aufwändig gestaltet und wohlwollend formuliert wurden. In solchen Fällen spielten Bildung und Ansehen des Beurteilten oft eine entscheidende Rolle. Auch heute neigen Arbeitszeugnisse mit höherer Qualifikation und Verantwortung dazu, individueller und wohlwollender formuliert zu werden.

Der Schutz von Arbeitnehmern

Die ursprüngliche Funktion der Arbeitszeugnisse als Kontroll- und Disziplinierungsinstrument wandelte sich im Laufe der Jahrhunderte zu einer bedeutenden Beurteilungsquelle für den beruflichen Erfolg von Arbeitnehmern. Die Einführung des Wohlwollensgrundsatzes im 18. Jahrhundert stärkte diesen Wandel, indem ein Schutz vor böswilligen und ungerechten Beurteilungen für Arbeitnehmer eingeführt wurde (vgl. 1). Dieser Schutzanspruch wurde daraufhin in der Gewerbeordnung des Norddeutschen Bundes (1869) (vgl. 2) und der Gewerbeordnung des Deutschen Reiches (1891) verankert und ist heute im Paragraphen 109 (2) der Gewerbeordnung zu finden.

Arbeitszeugnisse heute

Arbeitszeugnisse unterliegen seit der Einführung vor hunderten von Jahren zwar nur geringfügigen gesetzlichen Änderungen, dennoch hat sich die Zeugnissprache im Laufe der letzten 100 Jahre stetig weiterentwickelt. Insbesondere ab den 1970er Jahren gab es vermehrte öffentliche Diskussionen über die Zeugnissprache, was zu einer fortschreitenden Formalisierung führte. Trotz dieser Entwicklung und der Einführung standardisierter Textbausteine konnte die Bedeutung von Arbeitszeugnissen nicht abnehmen. Dies zeigt sich deutlich an den jährlich über 30.000 Gerichtsverfahren in Deutschland zum Thema Arbeitszeugnisse. Von den Vorläufern der Arbeitszeugnisse bis heute wird über die Ausstellung und Verwendung von Zeugnissen kontinuierlich debattiert, und ein Ende dieser Diskussion ist nicht absehbar.

In Anbetracht dieser Dynamik ist es ratsam, dass jeder sein Arbeitszeugnis auf Gesamtbewertung und unzulässige Inhalte überprüfen lässt.

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